Sonntag, 30. Dezember 2012

Da capo.

Mein kleines Herz ist ein unverbesserlicher Romantiker.
Ich habe versucht, es ihm abzugewöhnen, das mit diesem andauernden romantisch sein, da ich, im Gegensatz zu meinem kleinen Herz, überhaupt nicht romantisch bin. Immerzu versucht es mir Quargeln von gutaussehenden Rittern auf weißen Pferden, Blumensträußen vor der Wohnungstür von hinreißenden Unbekannten und sanften Küssen im Mairegen von Ryan Gosling Look-alikes anzudrehen ... total peinlich.
Stell dir vor, flüstert mir mein kleines Herz zu, du stehst am Morgen auf, schaust aus dem Fenster und an der Hauswand gegenüber steht riesengroß "Susanna, werde alt und grau mit mir!" geschrieben. Ich mache dann mein kleines Herz auf die hässlichen Tropfnasen an diesem, wenn auch imaginären, ziemlich dilettantischen Liebes-Graffiti aufmerksam – und trete nach, dass da wohl offensichtlich kein Profi am Werk war. Mein kleines Herz kichert dann nur despektierlich und ich rolle entnervt mit den Augen.
Wie gesagt, ich habe alles versucht, meinem kleinen Herz die Romantik abzugewöhnen, versuche es immernoch. Jeden Tag. Ich lerne sogar absichtlich die unzuverlässigsten und blödesten Typen kennen und lasse mich von ihnen enttäuschen, nur damit mein kleines Herz endlich kapiert, dass Romantik rosarote Kleinmädchen-Zeitverschwendung ist. Ich schaffe es nicht. Mein kleines Herz ist ein hoffnungslos sturer und außerordentlich zäher Romantiker – und mein treuester Begleiter.

Freitag, 21. Dezember 2012

Intermezzo.

Manchmal würde das Frollein gerne auf das Gesims einer gotischen Fassade klettern und zu einem steinernen Wasserspeier erstarren – einem der geheimnisvollsten und schönsten Wasserspeier der Stadt. Kühl, distanziert, still.
Aus trägen, steinernen Augen würde sie die Welt und die Menschen in ihren kurzen Hosen, Sandalen, Sonnenbrillen und schlechten Frisuren verachten und dann und wann auf sie herabspeien.

Mittwoch, 25. April 2012

Türme aus Gepäck.

Ich liebe die Menschen, das ist meinen Freunden und Bekannten mindestens so bekannt, wie sie es unglaublich finden. Und ich liebe es auf meine Mitmenschen zu treffen, sie zu beobachten und mir ab zu, ungefragt, lustige Geschichten von ihnen erzählen zu lassen.

Gestern Abend lag der Fall ein bisschen anders, aber ich habe mich nicht minder amüsiert - und vielleicht habe ich mich auch ein kleines bisschen geärgert.

Ich saß mal wieder in der Tram.

Nein, diesmal war es keine neue Vario-Tram, sondern eine von diesen Übergangsmodellen - die Frau mit den schlechten Zähnen nannte sie die "gepimpte Tram", mit den Holzsitzen, von denen ein unbedarfter Fahrgast schon mal rutschen kann, wenn der Trambahnfahrer ein Rowdy ist und ausprobiert, wie schnell er mit seiner Tram in diese oder jene Kurve fahren kann. Als "Sitzengebliebener" kann man dann nur den Heruntergerutschten aufhelfen, assistieren, den verstreuten Tascheninhalt wieder einzusammeln und sein kleines Fäustchen drohend Richtung Fahrerkabine schütteln.

Aber zurück zu meiner Trambahnfahrt gestern Abend. Ich wollte nach Hause. Und ich hatte ein paar größere Gepäckstücke bei mir, die ich auf den Nebensitz gestellt hatte. Und, das ist ein nicht zu vernachlässigender Aspekt in der Geschichte, rund die Hälfte der übrigen Sitzplätze in der Bahn waren frei. Und ich saß zur Fahrtrichtung.

Die Frau, um die es in meinem kleinen Aufsatz gehen wird, stieg zu und setzte sich zuerst in meine Nähe - gegen die Fahrtrichtung. Städter und Menschen mit ÖNV-Erfahrung wissen, dass Damen Ende 50 auf gar keinen Fall und nur über ihre Leiche gegen(!) die Fahrtrichtung sitzen können.

Jaja, ätzt da der Zyniker in mir, aber Kreuzfahrten könn'se machen noch und nöcher - und die haben den gleichen Effekt aufs Innenohr. Aber gegen die Fahrtrichtung Tram fahren könn'se nicht!

Die Best Ager-Dame stand also wieder auf und steuerte geradewegs auf mich, d.h. auf den Platz neben mir, auf dem, wir erinnern uns, mein Gepäck - in Fahrtrichtung - abgestellt war, zu. "Darf ich mich da hinsetzen?" ließ sie verlauten und deutete, mit Kinn oder Regenschirm, ich weiß es nicht mehr genau, auf den Platz mit meinem Gepäck. "Natürlich." war meine Antwort, nicht ohne meinen Blick über die zahlreichen freien Sitzplätze schweifen zu lassen.
Ich packte also meine sieben Sachen vom Nebensitz und türmte sie so gut es ging auf meinen Schoß. Die Dame setzte sich und richtete sich, mich dabei das ein oder andere Mal in die Seite knuffend, bequem auf ihrem neuen Sitzplatz ein. Da ich von vornherein mit ihrer neuen Platzwahl nicht ganz einverstanden war, ließ ich mich, geknufft und gepufft, einen Gepäckturm auf meinen Knien balancierend, zu einem unwirschen Kopfschütteln und einer leichten Verdunkelung meiner Gesichtszüge hinreißen. Das hatte zur Folge, dass meine neue Sitznachbarin mit Blick auf meine Taschen schnippisch fragte, ob das jetzt zu viel für mich sei, nicht ohne ein entrüstetes Zungenschnalzen und ein Kopfschütteln hinterherzuschicken.
Ich antwortete darauf lakonisch mit einem "Nein, das passt schon." Ich bin grundsätzlich ein höflicher Mensch. Aber eigentlich hätte ich sagen wollen: "Auch wenn es ihnen ungewöhnlich erscheinen mag, aber ich finde es sehr unhöflich von ihnen, mir ihre neue Platzwahl zuzumuten, wo doch noch so viele andere Plätze in der Bahn frei sind, die auch in Fahrtrichtung sind!" Ich würde mit der Standardantwort rechnen, auf die zickige Standard-Best-Agerinnen programmiert sind: "Dann setzten sie sich halt wo anders hin, wenn ihnen was nicht passt!" Meine Erwiderung wäre ungefähr so ausgefallen: "Jetzt finde ich ihr Verhalten nicht nur unhöflich, sondern auch respektlos. Und da meinen Charakter eine ordentliche Portion Sturheit auszeichnet, bleibe ich genau hier sitzen und werde mich die gesamte Dauer unserer gemeinsamen Fahrt, darüber amüsieren, wie sich sich über mich ärgern. Und wenn ihnen das nicht passt, dann müssen sie sich halt doch wo anders hinsetzen. Aber bitte nehmen sie mir nicht mein Amüsement und bleiben sie einfach neben mir sitzen. Wir werden uns schon arrangieren - jeder auf seine Weise." Ich hab natürlich nichts gesagt - ich bin einfach zu höflich.

Als kleine Ergänzung: Statistiken haben ergeben, dass die Überlebenschance bei einem Zugunglück größer ist, wenn man gegen die Fahrtrichtung sitzt, da man beim ersten Aufprall in den Sitz gedrückt wird und erst beim Rückstoß zu purzeln beginnt.